Ungarn-Auswanderer Erdel

Amerika und Brasilien waren im 19. Jahrhundert die vorwiegenden Ziele der Neutharder Auswanderer - in kleinerem Umfang auch Algerien - , wenn sie sich ein besseres Leben erhofften. Aber bereits 100 Jahre zuvor wagten einige diesen Schritt aus der Armut und wanderten nach Ungarn aus . Dieses Vorhaben war jedoch damals mit vielen Hürden verbunden, musste man doch hohe Entlassungsgebühren aus der Leibeigenschaft entrichten, die je nach Größe der Familie bis zur Hälfte des Vermögens bedeuten konnte. Von den damaligen sechs uns bekannten Emigranten- Familien nach Ungarn wissen wir nur von einer, wo genau sie eine neue Heimat gefunden hat.

Der Neutharder Stammvater aller Erdel – Johannes Erdel oder auch Örthle – wie er manchmal genannt wurde, war 1700 in Jöhlingen geboren worden und heiratete in Neuthard in erster Ehe Eva Elisabeth Wagner, mit der er sechs Kinder hatte, von denen nur drei überlebten. Dann starb die Frau und er ging eine weitere Ehe ein. Als 52-Jähriger schloss er sich mit seiner neuen Familie den Donauschwaben an, die mit den sogenannten Ulmer Schachteln auf der Donau bis in die damals zu Österreich-Ungarn gehörende Batschka fuhren. Es lockten Steuerbefreiung, Aufhebung der Leibeigenschaft und Einführung der deutschen Sprache als dortige Amtssprache. Sechs Jahre waren Johann Erdel noch in seiner neuen Heimat Apatin vergönnt. Diese Stadt an der Donau mit 200 Jahren deutschem Brauchtum ist heute nach all den schrecklichen Ereignissen des 2. Weltkrieges serbisch. Die Spuren seiner dortigen Nachkommen verlieren sich deshalb. Der Kontakt zu den Neutharder Kindern war wohl abgerissen, denn bereits drei Jahre nach seiner Auswanderung wähnte ihn die Tochter anlässlich ihrer Hochzeit in Forst als verstorben.

                                                                                                                                                  

Warum aber waren Johannes Erdel`s fast erwachsene Kinder aus erster Ehe nicht mit nach Ungarn gekommen? Vermutlich war ihnen die Ausreise verweigert worden. Junge Arbeitskraft war für den Speyerer Fürstbischof ein wichtiger Wirtschaftsfaktor in Anbetracht der damaligen Leibeigenschaft.   So aber konnte sich der Name Erdel hier bis heute fortsetzen. Johann Dominic heiratete nach Büchenau, Eva Elisabeth nach Forst und Constantin gründete in Neuthard mit Maria Magdalena Rindersbacher eine Familie. Deren Nachkommen übten die Landwirtschaft aus, einige waren später außerdem Handwerker. Ende des 19. Jahrhunderts durften zwei Söhne des Bernhard Erdel, der in Eberbach am Neckar und dann in Heidelberg als Bahnwart seinen Dienst tat, studieren: Bernhard wurde Fürstlicher Domänerat in Heidelberg, Anton Professor an der Handelshochschule in Mannheim.